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Bericht 3: "Inside the Cycle - Lernen fürs Leben"

Liebe Leserinnen und Leser,heute folgt nun der dritte Report über meine Impressionen aus dem fernen Malaysia! Jeder, der die vergangenen Berichte verfolgt hat, wird feststellen: „Wow, dieser ist etwas anders“. In den letzten Wochen habe ich tatsächlich bemerkt, wie schwer es fallen kann seine eigene Kultur ein Stück hinter sich zu lassen. In nur zwei Tagen habe ich von vier Personen annehmen müssen, dass ich blind in viele „kulturelle Fallen“ getappt bin.

Falle 1: Manchmal neigt der Deutsche dazu etwas zu viel Komfort zu erwarten. Als ich mit meiner Gastfamilie nach Singapur zum Fastenbrechenfest gefahren bin, wurden wir bei anderen Familienmitgliedern untergebracht. Da nicht genügend Betten vorhanden waren, blieb für mich der Boden übrig. Nach reiflicher Überlegung, wie ich den unglaublich freundlichen Menschen beibringe, dass ich echte Probleme habe, auf dem Boden zu schlafen (um 6 Uhr am Morgen, nach 7 Stunden Fahrt), habe ich mein Glück versucht. Natürlich haben sie sofort die Couch frei gemacht und ich dachte: „Das war ja einfach und alle sind zufrieden“. Falsch gedacht!

Am nächsten Tag hat meine Gastschwester mich ziemlich ignoriert und als ich sie darauf ansprach, meinte sie, dass ich sehr undankbar sei. Hier in Malaysia ist der Gast immer König und wenn er sich „beschwert“, dann heißt das für die Gastgeber, dass sie nicht in der Lage sind den Besucher angemessen zu versorgen. Dass ich das nicht so meinte, zählte dann nicht. Falle 2: Essen ausschlagen, nur weil man einfach „voll“ ist. Hier sollte man immer essen, wenn man jemanden besucht, weil sehr viel Arbeit dahinter steckt. Besonders wichtig ist das während des Fastenbrechenfests, wenn man etwa vier bis fünf Familien am Tag besucht und überall Unmengen an Köstlichkeiten gereicht werden. Falle 3: Der Versuch, sich eine größere Privatsphäre aufzubauen und sich manchmal zu separieren, ist wohl einer der größten Fehler, den man begehen kann. Zeitweise habe ich versucht einige Dinge allein zu machen und nicht jeder Einladung zu folgen, was dazu führte, dass eine Menge Leute annahmen, ich sei sehr egoistisch und interessiere mich nicht für andere. Welch harte Lektion, aber zum Glück haben es mir einige meiner Freunde direkt gesagt, sonst würde ich mich wohl noch jetzt fragen, was eigentlich los ist. All diese Dinge (es würde sich noch lohnen über die ein oder andere weitere Falle zu berichten) gaben mir zu denken und wenn ich vor meiner Reise dachte, dass ich doch schon gut Bescheid weiß, wie es hier so läuft, musste ich vor Ort das Gegenteil erfahren und akzeptieren…

Was bringt mir das nun? Es bringt mir genau die Entwicklung, nach der ich seit Beginn meiner Reise gesucht habe. Ich lerne zwischen den Zeilen zu lesen und den kulturellen Code zu entschlüsseln. Das mir das die ein oder andere schlaflose Nacht beschert, versteht sich von selbst.

Zu dieser holistischen Entwicklung, die ich gerade erfahre, gehört natürlich auch der fachliche Teil meines Aufenthaltes. Meine Abschlusspräsentation fand eine große Hörerschaft und die Ergebnisse wurden zum Anlass genommen, etwas auf nationaler Ebene in Gang zu bringen. Im Bericht, den ich in zwei Tagen auch der Untersuchungsschule präsentieren werde, sind Daten enthalten, die zum Nachdenken, aber auch zum Handeln anregen. So gut wie alle Annahmen, die im Vorfeld getroffen wurden, ließen sich durch die Studie bestätigen. Etwa ein Drittel der 9 bis 11 jährigen Schulkinder im urbanen Raum sind übergewichtig oder sogar fettleibig. Der Bildschirm ist tatsächlich weitaus beliebter als der Ball. Die internationalen Richtlinien für körperliche Aktivität (min. 1 Stunde/Tag) und die Zeit, die Kinder maximal vor dem Bildschirm verbringen sollten (2 Stunden/Tag), werden oft nicht eingehalten.

Trotz der Tatsache, dass detaillierte Daten hier nicht aufgeführt werden können, erscheint es einleuchtend, dass sich etwas „bewegen“ muss, damit Malaysia nicht bald einer bedrohlichen Gesundheitslage seiner Bevölkerung gegenüber steht. Dahingehend laufen nun erste Gespräche, wie man diesem Problem zu Leibe rücken kann. In Planung steht eine Doktorarbeit bzw. ein Großprojekt an der Universität Malaya in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Sportinstitut, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Wie die Umsetzung jedoch ermöglicht werden kann, steht noch etwas in den Sternen.

Nun werde ich mich erst einmal für einige Tage in den Urlaub „absetzen“, bevor ich am 03.10.2011 (13 Stunden vor meinem Rückflug) eine Lehrveranstaltung an der University Malaya halte, die sich mit der Historie des Sports in Deutschland beschäftigen soll.

Drei Monate sind also fast vorbei und ich kann nicht leugnen, dass ich mich nach all den Eindrücken auch etwas auf die Heimat freue.

Fortsetzung folgt…

Viele Grüße,  André Müller